Die Arbeit hier gleicht einer
Schnitzeljagd: Für den Erhalt der nötigen Zertifikate, Bewilligungen und
Steuernummern, muss eine Reihe von Bedingungen erfüllt sein, die man nicht
unbedingt im vornherein abschätzen kann. So ist es geschehen, dass ich für den
Antrag des Import / Export Codes (kurz IEC) unbedingt einen registrierten
Mietvertrag als Adressbestätigung benötigte. Ohne diesen IEC, kann unter keinen
Umständen Material nach Indien importiert werden, also ist diese Nummer von
relativ grosser Bedeutung. Den IEC kann man aber erst beantragen, wenn man über
ein gültiges Firmen Bankkonto mit ein wenig Geld verfügt, weil man damit die fälligen
Gebühren bezahlen muss. Somit konnte ich folglich erst nach dem Überweisen des
Aktienkapitals, was nach dem viermonatigen Kontoeröffnungszirkus schlussendlich
transferiert werden konnte, mit dem IEC Antrag beginnen. Der IEC Antrag
verlangt dann wiederum nach 11 Dokumenten, die mehr oder weniger Einfach zu
beschaffen sind. Eines von diesen 11 ist eine Telefonrechnung, lautend auf die
Adresse der zu registrierenden Firma. Tönt einfach, nicht wahr? Nun ist aber
unsere Firma bei einer anderen Firma untergemietet. Also muss man anstelle der
Telefonrechnung einen registrierten Untermietvertrag und eine Bestätigung des
Vermieters, dass wir die Telefonleitungen des Vermieters benutzen, zusammen mit
einer Kopie der letzten Telefonrechung, versehen mit Stempel und Unterschrift
des Vermieters, als Adressbestätigung einreichen. Also gut, Mietvertrag
registrieren, kann ja nicht so schwer sein. Oder? Der Mietvertrag muss, damit
er zur Registrierung zugelassen wird, auf sogenanntem stamped-paper ausgedruckt
werden. Das stamped paper ist im Grunde nichts anderes als eine Briefmarke im
Format A4, mit Platz für den Vertragstext. Der richtige Wert des stamped papers
errechnet sich aus einem Prozentsatz des Vertragswertes. Somit muss darauf
geachtet werden, dass der Vertrag befristet ist, sonst steigen die Kosten ins Unermessliche.
Wir haben uns auf drei Jahre festgelegt, dadurch hielten sich die Kosten mit
5800 Rupien im Rahmen. Ich schickte also Sunnil, unseren Officeboy zum stamp
vendor, um das spezielle Papier zu kaufen. Er kam mit einem 500 und drei 100
Rupien Papieren im Namen unserer Firma zurück. Das teuere 5000 Rupien Papier
war typischerweise grad nicht am Lager, könne aber am nächsten Tag abgeholt werden.
Nun gut, am nächsten Tag nach dem Verteilen des Vertragstextes auf die 5 Seiten
stellte ich fest, dass alle 3 Wertpapiere unterschiedlich lang und breit waren.
Und ausgerechnet das teure 5000 Rupien Papier war sogar breiter als der
Einzelblatteinzug des Druckers! Abklärungen ergaben, dass ein Zurechtschneiden
des Papiers nicht erlaubt sei, und damit der Vertrag seine Gültigkeit verliere.
Ein Test mit einem gleichgrossen „Dummy“ Papier verlief dann aber erfolgreich.
Also los zum Registrieren! Halt, wir waren noch nicht soweit: Es brauchte noch
eine Kopie des bestehenden Mietvertrages zwischen unserem Vermieter und dem
Eigentümer und auch noch zwei Kopien der Sitzungsprotokolle des Verwaltungsrates
beider Firmen, die besagen, dass die beiden Geschäftsführer erlaubt sind, im
Namen der Firma einen Untermietvertrag einzuholen. Und weil der Ehemalige
Vermieter in der Zwischenzeit seine Liegenschaft verkauft hatte, brauchte es
noch eine Kopie des Übernahmevertrages zwischen dem neuen Besitzer und dem
ehemaligen Eigentümer und zu guter letzt noch eine Einverständniserklärung des
neuen Besitzers, auf dem Briefkopf des Besitzers und schön abgestempelt und
unterschrieben, versteht sich... So
jetzt konnte die eigentliche Registrierung losgehen. Ein uns guter Bekannter
organisierte das Ganze. Er verlangte nach der offiziellen Registrierungsgebühr
und noch etwas für seine Dienstleistung. Am Montagvormittag holte er alle
Papiere ab und übergab diese einem Diener, der damit für uns in die Schlange
beim Bezirksgerichtsgebäude einstand. Zwei Stunden später erhielten wir einen
Anruf, wir seien an der Reihe. Wir trafen unseren Bekannten am Eingang des
Komplexes. Komplex beschreibt das Gebäude vortrefflich. Es ist alles nur in Hindi
angeschrieben und hat wahrscheinlich etwa 200 Räume. Das FRRO (Foreign Regional
Register Office) befindet sich auch hier. Unser Bekannter führte uns in den
ersten Stock, vorbei an wartenden Menschen und Bettlern in einen fensterlosen
Raum, in dessen Innern es wimmelte wie in einem Ameisenhaufen. Dort in der linken hinteren Ecke mussten wir nacheinander
wie Verbrecher in eine behelfsmässig montierte webcam-ähnliche Kamera starren
und uns fotografieren lassen. Es gesellten sich noch zwei wildfremde Inder
dazu, welche die Registrierung bezeugen mussten. Nach der Fotosession ging es
in die rechte hintere Ecke, wo wir mit einem wiederum behelfsmässigen Gerät
unseren linken Daumen einscannen mussten. (Ladies müssen den rechten Daumen
scannen, warum konnte ich jedoch nicht in Erfahrung bringen). Jetzt wurden auf
der Rückseite des Vertrags unsere Fotos und Fingerabdrücke aufgedruckt. Dann wurden
wir in die Mitte des Raumes an einen Tisch begleitet um auf allen Seiten des
Vertrages noch unsere Unterschriften und Firmenstempel aufzudrücken. Nun bedankten
und verabschiedeten wir uns von den Zeugen, die eifrig zum nächsten
Registrierungswilligen eilten. Der unterschriebene Vertrag musste jetzt nur
noch vom Registrierer unterzeichnet werden. Dieser sei aber erst am Abend
wieder im Hause. Also verliessen wir das Gebäude und hofften darauf, dass wir
am nächsten Tag unserem Ziel einen Schritt nähergekommen waren. Ohne fremde
Hilfe wäre aber das Ganze eine unlösbare Aufgabe gewesen. Alleine schon das
Zurechtfinden in den Räumen, geschweige denn das Wissen wo anzustehen, oder bei
welchem Beamten sich zu melden: Für uns Bleichgesichter eine Ding der Unmöglichkeit
und für gewisse Inder ein Teil ihres Lebensunterhalts. Unser Bekannter lachte
zum Abschluss verschmitzt und sagte: Next time: forget about the additional
documents: It’s only the money that talks...
Oh du meine Güte, ihr Arme... Bi so viel Ufwand mues mer ja scho fast es paar Jahr bliibe, damit s sich lohnt! Grüessli Fam. Lenz, Buch
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